Robin Bakkers Festival
Der holländische Sulky-Star gewinnt drei Breeders-Crown-Hauptläufe und eine Entlastung. Mit Y Not Diamant bringt der Profi dem Derby-Sieger Schampus eine eindeutige Niederlage bei. Dessen Trainer Josef Franzl hält sich allerdings mit einer großartigen Sinfonie schadlos. Auch Jaap van Rijn und Michael Nimczyk ergattern symbolische Kronen.
Mariendorf, 22. Oktober 2023.
Am zweiten Tag des Mariendorfer Breeders-Crown-Meetings ruhte das Augenmerk voll und ganz auf den sechs Hauptläufen der Jahrgänge 2019 bis 2021 und insbesondere auf dem Wettkampf der vierjährigen Hengste und Wallache. Denn das Rennen war eine echte Derby-Revanche. Y Not Diamant oder Schampus – das war aus Sicht des Publikums die entscheidende Frage und sie wurde klar beantwortet, denn der Erstgenannte war an diesem Tag eindeutig der Bessere der beiden. Y Not Diamant schoss mit bekannter Antrittsstärke sofort an die Spitze und bis in den Schlussbogen hinein sah es nach einem reinen Duell zwischen dem Derby-Zweiten und seinem damaligen Bezwinger aus. Denn in seinem Windschatten hatte Schampus auf der ersten Runde eine vermeintlich ideale Position bezogen. Doch als Bakker das Tempo nach einem ruhigen Teilstück auf den letzten 800 Metern auf einen 09-er Schnitt verschärfte, konnte Schampus nicht mehr entscheidend mithalten. Während Y Not Diamant in der Tagesbestzeit von 12,4/1.900m überlegen gewann, musste Schampus kurz vor dem Ziel noch Uccellone (Christoph Schwarz) und Django Hill (Michael Nimczyk) für die Plätze zwei und drei vorbeilassen.
Für Bakker war das aber nicht der einzige Treffer, denn der Holländer gewann noch drei weitere Rennen. Im Hauptlauf der dreijährigen Stuten hätte der französische Spitzentrainer Louis Baudron die Leinen seiner im eigenen Besitz laufenden Last Chance zwar liebend gerne selber in die Hand genommen und war deswegen auch persönlich vor Ort. Doch plötzlich aufgetretene Rückenschmerzen zwangen ihn, einen Catchfahrer für sein Pferd zu suchen und er fand in Robin Bakker eine ideale Lösung. Der sechsmalige Derby-Sieger machte mit der Stute alles goldrichtig. Als sich das Pulk zu Beginn der Gegenseite dichter zusammenzog, wechselte Bakker von der Innenkante aus in die zweite Spur, übte enormen Druck aus und behielt die einmal eroberte Führung nach Kampf mit einer Halslänge vor Speedrise Lady S (Michel Rothengatter) bis ins Ziel.
Ziemlich ähnlich war verlief das Geschehen für Robin Bakker bei der zweiten Fahrt, die er im Auftrag von Louis Baudron übernommen hatte. In der Entlastung der dreijährigen Stuten siegte „Mr. Derby“ mit Rouge Terre. Die die nicht ganz einfache Vierbeiner-Lady machte ab der Gegenseite in zweiter Spur ebenfalls ein Fass auf und rang ihre Kontrahentin Eiskönigin (Christoph Schwarz) denkbar knapp nieder. Sportlich und finanziell gesehen war Bakkers vierter Tagessieg mit Yin Yang im Hauptlauf der dreijährigen Hengste und Wallache aber noch wertvoller. Der Wallach wurde konsequent an zweiter Stelle innen gehalten und kämpfte sich im Einlauf mit wenigen Zentimetern Vorteil am Trainingsgefährten Zoom Diamant (Micha Brouwer) vorbei, der den zweiten Rang aber wenig später am grünen Tisch verlor, weil er einen Gegner in der Anfangsphase des Rennens behindert hatte.
Im Hochsommer war Josef Franzl unmittelbar nach dem Derby vor lauter Freude über seinen Triumph noch in den Rennbahnteich gesprungen. Dies tat der bayerische Sportler zwar diesmal nicht. Aber die Ehrung von Sinfonie nach ihrem Sieg im Hauptlauf der vierjährigen Stuten verlief kaum weniger emotional und Franzl war gemeinsam mit Sinfonies Pflegerin Bettina O’Hanlon zu Tränen gerührt. Der Hintergrund: Obwohl sie besser denn je ist, wird Sinfonie aller Voraussicht nach in die Zucht wechseln. Wenn dies wirklich geschehen sollte, hätte eine Abschiedsvorstellung wohl kaum großartiger ausfallen können. Denn während sich die Topfavoritin Look of Love (Piet van Pollaert) mit einer schweren Galoppade schnell aus dem Rennen verabschiedete, zeigte Sinfonie vom schlechtesten Startplatz 8 aus außen herum eine wahrlich fantastische Leistung und stürmte in 13,7/1.900m vor Mose Eagle (Robin Bakker) als Siegerin über die Ziellinie. Sie nach dieser unglaublich starken Vorstellung gar nicht mehr auf den Bahnen wiederzusehen, stimmt nicht nur Team um sie herum sentimental. „Aber ich bin mir sicher: Sinfonie wird auf dem Gestüt Lasbek bestimmt großartigen Nachwuchs zur Welt bringen“, gab sich Josef Franzl trotzdem hoffnungsvoll.
Die Geschichte des Hauptlaufs der zweijährigen Hengste und Wallache ist schnell erzählt. Denn es traten nur drei Pferde an, von denen Summermusic’night S (Danny Brouwer) nicht zum Traben zu bewegen war. So konnte Michael Nimczyk mit Aladin an der Spitze einsam seine Kreise ziehen, denn der zweitplatzierte Bellucci Rosso (Robin Bakker) folgte zwar treu und brav, konnte seinen für die Farben von Albert Darboven laufenden Konkurrenten aber nie unter Druck setzen. Mächtig viel Jubel brandete im anschließenden Stuten-Pendant beim Sieg von Jaap van Rijn mit Dolce Vita Seniorita auf – gehört das Pferd doch einem alteingesessenen Mariendorfer Trainer, nämlich Roman Matzky. Dessen ganze Familie fand sich bei der Siegerehrung ein und vor allem bei Tochter Linda flossen etliche Freudentränen. Dazu gab es auch allen Grund, denn die Stute sah aus wie ein Pferd mit Zukunft. Von der Spitze aus ließ die von Jeroen Engwerda vorbereitete Braune ihren Gegnerinnen nicht den Hauch einer Chance.
Am ersten Breeders-Crown-Tag hatte das Team Nimczyk sämtliche vier Entlastungen gewonnen. Am Sontag konnte der Goldhelm zwei weitere an seine Fahnen heften. Zunächst gewann Michael Nimczyk mit ELUISE. Der Champion führte die Vierjährige sofort in den Windschatten der Pilotin Tara Mirchi (Micha Brouwer) und fand ausgangs des Schlussbogens die entscheidende Lücke, um seinen langgezogenen Angriff zu starten. Kurz vor dem Pfosten eroberte sich ELUISE einen Zentimetervorteil. Dann trumpfte Nimczyk mit Yahoo Diamant auf, der offensiv nach vorne ging und mit Simba (Josef Franzl) einen hartnäckigen Verfolger im Nacken hatte. Auf der Zielgeraden spielte Yahoo aber seine ganze Klasse aus und hielt den Gegner in 13,6/1.900m mit einer halben Länge Vorsprung in Schach. Wesentlich deutlicher fiel der Erfolg von Christoph Schwarz und See You in einer weiteren Entlastung aus. Der Österreicher hatte die Fahrt in Vertretung des nach seiner Erkrankung momentan noch schonungsbedürftigen Trainers Rudolf Haller übernommen. See You drehte in der Außenspur unglaublich energisch auf, erkämpfte sich die Führung und triumphierte in den Farben des Besitzerstalls Sinos mit überlegenem Vorsprung.
Für die Amateure standen die Qualifikationsläufe drei und vier für die Europameisterschafen an. Zunächst schlug die große Stunde für Thomas Maaßen und Gustavson Be. Der mehrfache Champion der Hobbyfahrer kam mit dem Zehnjährigen blendend zurecht und übernahm mit dem Fuchs offensiv die Spitze. Das ganze Rennen lang drohte keinerlei Autoritätsverlust – Gustavson Be gewann vor One Penny Black (Tom Karten) und Jo Jo Harley (Julia Holzschuh) quasi mit angezogener Handbremse. Es folgte ein bärenstarker Auftritt von Sarah Kube und Flying Chantall, die zuvor keinen einzigen ihrer 78 Einsätze gewonnen hatte und nun im Alter von acht Jahren zu ihrem ersten Erfolg kam. Und zwar Start-Ziel. Sie war in der Hand der Amazone einfach nicht wiederzuerkennen. Unmittelbar danach begann das fieberhafte Rechnen, wer denn nun die Gesamtwertung gewonnen hatte. Das Ergebnis: Julia Holzschuh wird Deutschland im kommenden Jahr bei der Europameisterschaft der Damen auf Malta vertreten und Peter Platzer reist zur EM der Männer in Belgien.
Wie schon am Vortag die Verabschiedung von Halva von Haithabu war auch das Goodbye für Zauni tief bewegend. Manfred und Ronja Walter hatten keine Mühen gescheut und waren gemeinsam mit der Besitzerfamilie Freitag nach Mariendorf gekommen, um dem Berliner Publikum ihr Herzenspferd, das ihnen so viele wunderschöne Momente beschert hatte, noch einmal zu präsentieren. Zauni schien sich der Bedeutung bewusst zu sein. Denn der Hengst, der in seiner Rennkarriere über 223.000 Euro verdient und 33 Siege erzielt hatte, wirkte von seinem ganzen Gebaren her majestätisch wie ein König. Während der Ausnahmetraber an der Hand von Manfred und Ronja Walter ein letztes Mal auf die Parade ging, versammelten sich bereits die Teilnehmer des einzigen Rennens, das nicht zum Breeders-Crown-Reigen bzw. den EM-Qualifikationen gehörte. Es ging an Dennis Spangenberg, der mit Jester Tonic einen erfolgreichen Ausversuch im Stil von Sea Coves Amérique-Triumph unternommen hatte und mit riesengroßem Vorsprung gewann.