Wie die Mutter, so der Sohn
Es ist ein Klassiker mit einer großartigen Tradition: Das Buddenbrock-Rennen wurde schon 1901 das erste Mal ausgetragen und am Sonntag stand nun erneut die Generalprobe für das Derby auf dem Programm. Der mit 25.000 Euro Preisgeld dotierte Hauptlauf sah nahezu alle Pferde am Start, die im Jahrgang derzeit Rang und Namen haben. Das Augenmerk konzentrierte sich vor allem auf Usain Lobell, der in dieser Saison ausschließlich Auslandsengagements wahrgenommen hatte und in der Hand von Robin Bakker trotz der nicht günstigen Startposition 7 am Wettmarkt für 2,1:1 gehandelt wurde. Eine Einschätzung, die sich am Ende als goldrichtig erwies, obwohl es unterwegs zunächst einmal nicht danach ausgesehen hatte. Denn Days of Thunder (Thorsten Tietz) hatte die Spitze übernommen und auf der Tribünengeraden eine Attacke von Riet Hazelaar (Dion Tesselaar) erfolgreich abgewehrt. Staccato HL (Michael Nimczyk) vor Teatox (Rudolf Haller) und dann erst Usain Lobell lautete die weitere Reihenfolge des zum Gänsemarsch formierten Feldes. Von Lockheed Draviet (Thomas Panschow) war zu diesem Zeitpunkt noch kaum etwas zu sehen.
Auf der Gegenseite kam Bewegung ins Feld. Erst schien Staccato HL ausscheren zu wollen, blieb dann aber doch an der Innenkante liegen und schon wenig später blies der Hengst überraschend schnell zum Rückzug. Weitaus entschlossener trat Teatox auf den Plan – der Braune ging in die Offensive und an ihn hängte sich sofort Usain Lobell ran. Als das Feld aus der letzten Kurve heraus in die Zielgerade bog, hatte Days of Thunder die Nüstern zwar noch vorne – aber es war bereits erkennbar, dass der zuvor ungeschlagene Dreijährige erstmals Flecken auf die blütenreine Weste bekommen würde. Denn Usain Lobell sprintete im Stil seines Namensgebers Usain Bolt völlig locker an seinen Gegnern vorbei. Die Manier war jedenfalls grandios: Usain Lobells überlegener Sieg in 14,0/1.900m mit zweieinhalb Längen Vorsprung war wohl nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Der von Jasper Roos und Gert-Jan Sleit gezüchtete Hengst scheint voll und ganz das Können seiner legendären Mutter Lobell Countess geerbt zu haben, die damals zwar nicht das Buddenbrock-Rennen bestritten hatte, aber im Jahr 2011 mit ihrem Derby-Sieg Geschichte schrieb.
Die große Überraschung des Hauptlaufs war Lockheed Draviet, dem ähnlich wie dem Sieger auf den entscheidenden Metern regelrecht Flügel wuchsen. Der von Arnold Mollema vorbereitete Trixton-Sohn ergatterte als 32,8-Außenseiter Rang zwei vor dem tapfer durchziehenden Days of Thunder, der das dritte Geld nur behielt, weil hinter ihm Riet Hazelaar erst von der Innenkante wegkam, als alles längst entschieden war. Für die Stute wäre bei einem anderen Verlauf sehr viel mehr drin gewesen – sie gehört weiterhin zu der Elite der Jahrgangspferde und steht derzeit wohl über Teatox, dem zwei Längen hinter ihr nur das fünfte Geld blieb. Die Karten für die Derby-Vorläufe am 21. und 22. August sind nun gemischt: Usain Lobell wird als einer der absoluten Topfavoriten antreten und es ist nicht unwahrscheinlich, dass der von Paul Hagoort trainierte Traber endgültig in die Hufstapfen seiner Mutter tritt. Dass aber bis dahin trotz der imposanten Leistung noch viel Arbeit vom Stattteam zu leisten sind, weiß auch Robin Bakker: „Bei den jungen Pferden ändert sich die Entwicklung von Tag zu Tag. Paul hat jetzt noch rund vier Wochen Zeit, um Usain Lobell optimal auf den Derby-Vorlauf vorzubereiten – und die wird er konsequent nutzen.“
Die Geschichte des mit 12.500 Euro dotierten Buddenbrock-Stutenlaufs ist schnell erzählt, denn die Prüfung entwickelte sich zu einer Gala-Show der 1,0-Ultrafavoritin ALL IN LOVE. Ihr Trainer und Fahrer Dion Tesselaar stellte bereits in der Startphase die Zeichen auf Sieg, denn sein Schützling übernahm von der Position 2 aus nach einem kurzen Abtasten mit der innen postierten Inas Stone (Dennis Spangenberg) konsequent die Führung. Das war es dann auch schon – im weiteren Verlauf konnte kein einziger ihrer Verfolger die – sollte nichts Überraschendes geschehen – kommende Stutenkönigin auch nur ansatzweise in Gefahr bringen. Die Platzgelder waren dagegen heiß umkämpft. Die von Tim Schwarma lange am Feldende gehaltene Isla sicherte sich den Ehrenrang und zeigte damit erneut eine prächtige Leistung. Flotte Biene (Kornelius Kluth), die im letzten Bogen wenigstens den Versuch eines Angriffs auf ALL IN LOVE unternommen hatte, wurde für ihre Bemühungen mit dem dritten Geld belohnt. Für die 15,5/1.900m trabende Siegerin war die Aufgabe jedenfalls nur eine bessere Trainingsarbeit und nun ist ein wenig Relaxen angesagt. Dion Tesselaar: „Wir werden ALL IN LOVE wie stets nach einem Start erst einmal gründlich untersuchen und dann in aller Ruhe auf das Derby-Meeting vorbereiten.“
Wesentlich mehr als nur ein flottes Jogging musste der von Michael Nimczyk präsentierte Bayard ableisten. Der Hengst flitzte in der mit 6.000 Euro dotierten Silber-Serie in sensationellen 12,5/1.900m um die Kurven. Für den Crack des Ehepaars Lehner, das seinen Vierbeinerstolz aufgrund der Corona-Krise überhaupt zum ersten Mal live bei einem Erfolg beobachten konnte, galt genau dasselbe Prädikat wie für die Sieger der beiden Buddenbrock-Läufe: absolute Extraklasse! Der in seiner Rennkarriere bisher nur ein einziges Mal bezwungene Sohn der Amérique-Legende Ready Cash lag hinter Virginias Prime (Kornelius Kluth) eine gute Runde lang an zweiter Stelle, wurde dann kurz vor dem letzten Bogen nach außen beordert machte mit Erreichen des Einlaufs endgültig alles klar. Der tapfere Virginias Prime wurde zwar noch von dem viel Speed entfaltenden Italiano KP (Rudolf Haller) überspurtet, verdiente sich aber ebenfalls eine exzellente Note.
Einen etwas überrachenden Ausgang nahm das Rennen der internationalen Klasse. Denn das Publikum hatte felsenfest mit einem Erfolg von Orlando Jet gerechnet, zumal dessen ständiger Begleiter Rudolf Haller sich im Vorab-Interview total begeistert über die Verfassung seines Schützlings geäußert hatte. Doch einmal mehr zeigte sich, dass eine Doppelzulage auf der 2.000-Meter-Distanz nicht so leicht aufzuholen ist. Während der von Jochen Holzschuh gesteuerte Noubliez jamais den Ton vorgab, verbesserte sich Orlando Jet auf der Gegenseite zwar deutlich. Doch als der Pilot das Tempo im Schlussbogen auf 09,8 hochschraubte, zeichnete sich bereits ab, dass der vierbeinige Jet diesmal nicht in den Winner-Circle ziehen würde. Viel gefährlicher erschien stattdessen Nordic Jaycee (Thomas Panschow), der Noubliez jamais wie ein Schatten gefolgt war und den Kontrahenten nun zu einem spannenden Duell herausforderte. Der Angreifer schien für einen Moment sogar besser zu gehen – doch innen zog Noubliez jamais in 1:14,8 min. noch einmal entscheidend an und gab den Erfolg nicht mehr her, während zu dem drittplatzierten Orlando Jet am Ende eine Lücke von fünf Längen klaffte.
Das umfangreiche Rahmenprogramm war ebenfalls exquisit besetzt. Hier sind die Sieger in chronologischer Reihenfolge: Rainmaker (Rudolf Haller) ging rasch nach vorne, schien Mitte der Zielgeraden zwar durch den heranfliegenden Fair Trade (Michael Nimczyk) unter Druck zu geraten, wehrte die Attacke aber souverän ab. Justus Love (Jorma Oikarinen) lag zu Beginn der Tribünengeraden an fünfter Stelle außen und verbesserte kontinuierlich, aber ohne Hast seine Position. Der Sechsjährige zog unmittelbar vor dem Zielpfosten an Iban Beuckenswyk (Michael Hönemann) und dem lange führenden John Butcher (Sedat Burgac) vorbei. Red Pine Lilly (Thorsten Tietz) profitierte von einem geschonten Verlauf an der Innenkante und kam gerade noch rechtzeitig frei, um sicher zu gewinnen. Honfleur bescherte Caroline Grevenig den dritten Erfolg ihrer jungen Amateurkarriere. Die Stute siegte Start-Ziel.
Man U (Michael Nimczyk) triumphierte enorm eindrucksvoll. Der Wallach lag auf der langen 2.500-Meter-Strecke zunächst ganz hinten, rückte eine Runde vor dem Ziel druckvoll auf und löste sich aus dem Schlussbogen überlegen von der Konkurrenz. Für Lorens Flevo (Robin Bakker) wurde es dagegen mächtig eng, denn der Fuchs war bis kurz vor dem Ziel innen eingesperrt. Als sich die Passage dann doch noch ergab, wurde der Dreijährige höllisch schnell. Für Don Trixton wurde der zweite gemeinsame Auftritt mit Thomas Panschow zum Volltreffer. Der wie zumeist durch die Außenspur trabende Hengst verkniff sich jeden Fehler und trumpfte souverän auf. Den Schlusspunkt unter den Buddenbrock-Renntag setzte der von Julia Knoch gesteuerte Windspeed. Der Wallach, der unterwegs stets an dritter Stelle gelegen hatte, ging im Einlauf auf und davon und probte erfolgreich für die Internationale Derby-Meisterschaft der Amateure.
Gesamtumsatz: 182.085,91 Euro – Bahnumsatz: 57.440,90 Euro – Außenumsatz: 124.645,01 Euro.
Unser Terminhinweis: Die nächste Mariendorfer Veranstaltung findet am Sonntag, dem 1. August statt. Im sportlichen Mittelpunkt steht der sechste Lauf der Newcomer-Serie um 6.000 Euro Preisgeld. Beginn ist um 13.30 Uhr. Die Starterangabe, die Sie auch online auf www.rennbahn-berlin.de vornehmen können, ist am Montag, dem 26. Juli. Sie erreichen das Mariendorfer Rennsekretariat unter der Rufnummer 030-7401229 bzw. per Mail an starterangabe@rennbahn-berlin.de.